NEVERMORE: Bochum, Zeche, 27.09.2005

NEVERMORE haben mal wieder unter Beweis gestellt, dass sie zu den stärksten Live-Bands im Metal-Sektor zählen.

Dienstag 17:45: Noch fast zwei Stunden bis zum offiziellen Beginn. Das sollte doch reichen, um die 100 Kilometer bis Bochum zurück zu legen und lässt hoffentlich auch noch genug Zeit für die unvermeidlichen Verzögerungen durch Verfahren. Zur Erklärung für alle, die noch nie in der Zeche zu Bochum waren: Diese alteingesessene Konzerthalle befindet sich scheinbar in einer Art Bermuda Dreieck. Schon oft fuhren wir dorthin und nie erreichten wir die Zeche ohne vorher eine Rundfahrt durch das nur mäßig interessante Bochum unternommen zu haben. Trotz anfänglicher Euphorie es diesmal echt mal schaffen zu können, schlug das Schicksal natürlich wieder zu und in Verbindung mit der genau so alten Bochumer Tradition, Vorbands lange vor dem offiziellen Beginn auf die Bretter zu schicken, führte dies dazu, dass ich von MERCENARY nur die letzten zehn Minuten mitbekommen habe. Sehr ärgerlich, da sich die Songs der mir bis dahin unbekannten Band sehr cool anhörten und die Dänen auch in puncto Stageacting eine ordentliche Leistung ablieferten. Besonders der Wechselgesang zwischen cleanem Gesang und Gebrüll wurde live bestens umgesetzt. Davon hätte ich gerne mehr gesehen.

Nachdem bei MERCENARY noch nicht all zu viel los war, füllte sich die Zeche nun so langsam, denn als nächstes stand die deutsche Thrash-Hoffnung DEW-SCENTED auf dem Plan. Und diese gaben von Anfang an Vollgas. Als Live-Drummer haben die Jungs sich mit Reno Killerich eine echte Granate an Land gezogen, der sich tadellos durch den kompletten Auftritt prügelte. Beeindruckend! Im Moshpit war noch nicht viel los. Es wurden zwar ordentlich die Köpfe geschüttelt, aber ansonsten war das Bochumer Publikum noch recht unbeweglich. Trotz einiger Highlights langweilte mich der DEW-SCENTED Auftritt größtenteils. Woran das lag? Sicher nicht am Auftreten der Band. Frontmann Leffe kam mit seinen Ansagen durchaus sympathisch rüber und bis auf den Drummer war auf der Bühne Dauer-Bangen angesagt. Wo also liegt bei dieser Band das Problem? Auf Dauer ist das ganze Geballer einfach zu eintönig. Viel zu selten lockern DEW-SCENTED ihre Highspeed-Orgie mal durch ein gelupftes Gaspedal auf. Somit machte sich leider schnell Eintönigkeit breit. Da ich dies nicht das erste Mal bei dieser Band merke, lag es wohl nicht speziell an diesem Auftritt. Als Anheizer war das ganze aber noch in Ordnung.

Kurz nach 21 Uhr war es endlich soweit. Nach und nach betraten die fünf Seatlle-Boys die Bühne. Inzwischen war die Zeche recht ordentlich gefüllt, auch wenn es vorne immer noch genügend Platz gab. Nach dem Intro legten NEVERMORE mit Born, dem Opener des aktuellen Geniestreichs This Godless Endeavor los wie die Feuerwehr. Da war der Nacken noch gar nicht richtig warm gebangt und schon wurde Höchstleistung verlangt. Es folgten mit My Acid Words und Bittersweet Feast zwei weitere Songs des neuen Albums. Dann arbeiteten sich NEVERMORE rückwärts durch Ihre Diskographie. Jeff Loomis solierte weltmeisterlich, bangte wie ein Tier und hatte eine unglaubliche Bühnenpräsenz. Van Williams und Jim Sheppard lieferten ihren Kollegen einen einwandfreien Rhythmus-Teppich und Warrel Dan lebte jeden seiner Songs wie kein anderer Frontmann. Steve Smyth konzentrierte sich darauf, Gitarre zu spielen und seine Matte zu schütteln und stand das ganze Konzert über etwas abseits vom Rest der Band und wirkte irgendwie noch ein wenig wie ein Fremdkörper. Das wird sich aber sicherlich mit der Zeit ändern. Nach den beiden Dead Heart In A Dead World-Granaten Narcosynthesis und The River Dragon Has Come folgte dann mein persönlicher Höhepunkt: Mit Beyond Within, dem ersten von insgesamt zwei Songs des Dreaming Neon Black-Albums kam richtig Bewegung in den Mob. Und so pflügten NEVERMORE weiter durch ihr bisheriges Schaffen. Schade, dass das Debüt und die In Memory EP mit keinem Song gewürdigt wurden. Matricide oder The Sanity Assassin wurden schmerzlich vermisst. Auch von Enemies Of Reality fehlte bisher jede Spur. Dafür gab es ein alles zertrümmerndes Seven Tongues Of God, gefolgt vom düsteren, sich stetig steigernden The Learning, welches mit dem folgenden Sentient 6 einen kongenialen Bruder zur Seite gestellt bekam. Warrel Dane lieferte gerade bei diesen beiden Tracks eine anbetungswürdige Performance. Auf Knien flehend, mit irrem Blick tobend und unterstütz von einer sparsamen aber effektiven Lightshow. Nach der SIMON AND GARFUNKEL Verhackstückelung The Sound Of Silence packte der Headliner mit The Heart Collector seinen größten Hit aus, der von gesamten Publikum mitgesungen wurde. GÄNSEHAUT! Final Product beendete den Hauptteil des Konzerts. Nach kurzer Zeit schon drangen die Klänge des Enemies Of Reality Stückes Noumeon durch die PA. NEVERMORE betraten erneut die Bühne und spielten den überlangen und vollkommen genialen Titeltrack der aktuellen Scheibe. Als Abschluss gab es einen weiteren Titeltrack zu hören: Mit Enemies Of Reality setzten die Amerikaner den Schlusspunkt unter ein großes Konzert, dessen einzige Makel das Fehlen von Songs der ersten beiden Veröffentlichungen und die erneuten Ignoranz der SANCTUARY-Vergangenheit war. Ansonsten haben NEVERMORE einmal mehr unter Beweis gestellt, dass sie zu den stärksten Live-Bands im Metal-Sektor zählen, was zu einem Grossteil an Warrel Dane liegt. Es mag vielleicht technisch bessere Sänger geben, aber kaum einer bringt seine Songs live dermaßen emotional rüber wie der Ziegenbart- und Kopfsockenträger.

Setlist Nevermore:

Born

My Acid Words

Bittersweet Feast

Narcosynthesis

The River Dragon Has Come

Beyond Within

Dreaming Neon Black

Seven Tongues Of God

The Learning

Sentient 6

The Sound Of Silence

The Heart Collector

Final Product

This Godless Endeavor

Enemies Of Reality

Total
0
Shares
WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner