ROCK MEETS RENAISSANCE: Bottrop/Schloss Beck, 9. Oktober 2004

Ein Open Air-Konzert im Oktober, kann das gut gehen? Nein, aber trotz des kleinen Publikums und gefrorener Finger eine sehr gelungene Veranstaltung.

Ein ganz besonderes Konzert sollte es werden, das ROCK MEETS RENAISSANCE, bei dem der ehemalige SCORPIONS-Gitarrist ULI JON ROTH zusammen mit Musikern des London Symphony Orchestra und einer illustren Schar von Gästen – RAGE-Gitarrist VICTOR SMOLSKI, DORO sowie die ehemalige SAHARA-Sängerin Liz Vandall sollten Roth an diesem Abend unterstützen – seine Interpretationen einiger bekannter klassischer Werke sowie einige Eigenkompositionen und Klassiker der Rockmusik darbieten wollte – das Ganze aufgepeppt durch großflächige Videoprojektionen und die wunderbare Kulisse des sich am Rande des Ruhrgebietes befindlichen Schloss Beck. Auch von einer späteren Veröffentlichung dieses Konzertes in Form einer DVD war im Vorfeld die Rede.

Aber mal ernsthaft: Wer geht schon im Oktober auf ein Open Air-Konzert? Nicht nur die eiskalten Temperaturen sprachen dagegen, auch die Tatsache, dass nur in der Lokalpresse intensiv für das Konzert geworben wurde, man mit der Ankündigung des Konzertes fürdie großen Rock- und Metalmagazinen aber zu spät kam, trug wohl dazu bei, dass sich am Ende vielleicht 250 bis 300 Leute auf dem riesigen Gelände eingefunden hatten, welches sicherlich die zehnfache Menge hätte verkraften können. Das ganze Ausmaß dieses finanziellen Reinfalls wird allerdings erst deutlich durch eine Anekdote vom Einlass, wo sich einer der Security-Menschen, nachdem sich die Schlange der auf der Gästeliste stehenden Besucher immer mehr vergrößerte und das Durchkommen am Einlass verhinderte, zu der Frage hinreißen ließ: Gibt es hier auch irgendwelche normalen Gäste mit einer Karte? – er sollte keine Antwort erhalten. Alles in allem waren schätzungsweise 100 zahlende Gäste gekommen.

Uli
Die Kälte machte Uli Jon Roth und seiner Gitarre zu schaffen.

Man konnte Uli Jon Roth, als er dann loslegte, zwar ansehen, dass er ob dieser geringen Resonanz etwas entäuscht war, und nachdem er den vom WDR live übertragenen Frühling aus Vivaldis Vier Jahreszeiten gespielt hatte, räumte er auch ein, dass es wohl keine so gute Idee war, sich auf ein Open Air-Konzert im Oktober einzulassen. Er nahm die Sache dann aber offenbar doch mit Humor, spielte trotz allem mit viel Elan und bedankte sich bei den Anwesenden dafür, dass trotz der Wetterumstände so viele erschienen waren.
Geboten wurde, wie durch die Ankündigung versprochen, nicht nur musikalisches Vergnügen, hatten Roth und die Musikerinnen des London Symphony Orchestra sich doch dem Anlass entsprechend stilecht gekleidet, während auf der großen Videoleinwand Detailaufnahmen der Musiker mit zur jeweiligen Musik passenden Bildern und Videosequenzen vermischt wurden. Diese optische Aufwertung wäre jedoch nicht unbedingt nötig gewesen, denn auch rein musikalisch war die Interpretation der Vier Jahreszeiten faszinierend. Uli Jon Roth übernahm größtenteils die Hauptstimme, fügte sein Gitarrenspiel jedoch äußerst harmonisch ins Ganze ein und drängte die Streicher und die Pauken des London Symphony Orchestras sowie das auf einem Keyboard gespielte Cembalo nicht zu sehr in den Hintergrund. Den Abschluss des ersten Teils des Konzertes bildete dann Metamorphosis vom gleichnamigen, im letzten Jahr erschienen Album. Das Stück ist zwar von Roth geschrieben, basiert aber auf Vivaldis Vier Jahreszeiten, wird von Roth auch als fünfte Jahreszeit verstanden und knüpft in der Tat sehr gekonnt daran an und greift einige der Themen auf.

Nach der etwa dreißigminütigen Pause, in der die Besucher statt Bier lieber auf das Kaffee- und Tee-Angebot zurückgriffen, um sich wenigstens kurzzeitig aufzuwärmen, begann der zweite, insgesamt eher rocklastige Teil, indem dann auch all die angekündigten Gäste zum Zuge kamen, noch einmal klassisch mit einem Ausschnitt aus Mozarts Zauberflöte, bevor Liz Vandall die Bühne betrat. Nicht nur bei dem Song von ihrem neuen Album, sondern auch bei allen folgenden Rocksongs, mussten die Zuhörer allerdings auf echte Drums verzichten, kamen diese doch aus der Dose beziehungsweise dem Keyboard. Zwar hatte man sich früher oder später daran gewöhnt und die Drums waren ja auch ganz ordentlich programmiert. Doch gerade im Hinblick auf eine mögliche DVD-Veröffentlichung ist die Entscheidung gegen einen Drummer aus Fleisch und Blut nicht verständlich, und irgendwie kam man sich als Zuhörer ein wenig verschaukelt vor. Die Aufführung des über elfminütigen Hiroshima, das Roth mit seinem Projekt ELECTRIC SUN vor fast 25 Jahren veröffentlichte, war trotz allem beeindruckend – gerade hier kamen die Videoprojektionen perfekt zur Geltung, so dass einem bei dem Song der ein oder andere Schauer über den Rücken lief. Von einem zweiten Gitarristen und den Streichern unterstützt, teilte sich hier Roth den Gesang mit Liz Vandall, die mit ihrer kräftigen und vielfältigen Stimme sehr zu überzeugen wusste.

Dann jedoch war es Zeit für Victor Smolski, der insgesamt zwei Stücke vortrug, zum einen die Suite 2, eine sehr metallastige Bach-Interpretation mit vielen Doublebass-Passagen, bei der aber nicht nur die Drums, sondern auch die Keyboards, der Bass und sogar die zweite Gitarre aus der Konserve kamen. Technisch noch weitaus anspruchsvoller war der zweite Song, bei dem Smolski fast ausschießlich solierte und sich im Extreme-Shredding übte. Hier zeigte sich, dass der RAGE-Gitarrist Uli Jon Roth technisch eindeutig überlegen ist. Wo bei Smolski die technische Perfektion an erster Stelle steht, kann Roth wohl keinem Technik-Freak mehr als ein müdes Lächeln hervorlocken, glänzt aber auf seine Art durch die sehr gefühlvolle Komponente seines Gitarrenspiels, die man so bei Smolski etwas vermisst.

Uli
Die Musiker präsentierten sich stilecht gekleidet.

Nach einem weiteren Song von Roth und Liz Vandall zeigte sich dann bei DORO, die von Orchester und Band begleitet Für Immer sowie I Rule The Night und Let Love Rain On Me sang, dass nicht nur zwischen den Gitarristen technisch Welten lagen. Im direkten Vergleich zur ehemaligen SAHARA-Frontfrau zog Frau Pesch nämlich stimmlich eindeutig den kürzeren. Sprüche wie Yeah, clap your hands, boys and girls machten den Gesamteindruck, den sie an diesem Abend hinterließ, auch nicht unbedingt besser.

Wie gut, dass danach eine sehr coole, eng an JIMI HENDRIX gehaltene Version von All Along The Watchtower folgte, bei der Roth noch einmal selbst die Vocals beisteuerte. Nach einer weiteren Klassik-Interpretation in Form von Bridge To Heaven, das auf einer Komposition von Puccini basiert, durften beim HENDRIX-Klassiker Angel noch einmal alle auf die Bühne. Dafür, dass man das Stück vorher nie zusammen geprobt hatte, klappte das Zusammenspiel erstaunlich gut. Die lautstarken Zugabeforderungen konnten dann zwar nicht erfüllt werden, da man keine weiteren Songs vorbereitet hatte, zeigten aber, dass das ROCK MEETS-RENAISSANCE-Konzept durchaus Potenzial hat, wenn es ordentlich beworben wird und der Termin geschickter gewählt wird.

Alles in allem eine äußerst gelungene Veranstaltung mit einer ganz eigenen, seltsamen Atmosphäre, bei der vor allem der äußerst transparente Sound hervorzuheben ist, während der konsequente Einsatz von programmierten Drums den positiven Eindruck etwas schmälerte. Aufgrund der Eiseskälte kam es zwar immer wieder zu Problemen mit verstimmten Gitarren, die nach jedem einzelnen Song wieder in die richtige Stimmung gebracht werden mussten, und zu einigen grobe Verspielern von Roth – Victor Smolski schien die Kälte hingegen gar nichts auszumachen -, dies hielt sich jedoch im Rahmen. Man darf gespannt sein, ob es tatsächlich zu einer DVD-Veröffentlichung kommt und ob es dabei gelungen ist, das fast nicht vorhandene Publikum zu verstecken.

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