ENSIFERUM: Ironic Heroic Folk Metal

Bassist Jukka-Pekka Miettinen über die Zukunft von ENSIFERUM. Führt sie etwa vom ´Ironic Heroic Folk Metal´ zum ´Dark Heroic Metal´…?

ENSIFERUMDas Jahr 2004 hat für ENSIFERUM nicht gut begonnen: Sänger Jari Mäenpää hat nach den Aufnahmen des neuen Albums Iron die Band im Januar verlassen und trotz einer kürzlich erfolgreich absolvierten Europatour im Schlepptau von FINNTROLL und THE WAKE wurde die Veröffentlichung von Iron mehrfach verschoben. Am 12. Juli wird das Album, in Finnland schon seit Mitte April im Handel, auch endlich europaweit in den Regalen stehen.

Bassist Jukka-Pekka Miettinen sieht der Zukunft dennoch einigermaßen gelassen entgegen:
ENSIFERUM:Wir haben bislang noch keinen neuen Sänger gefunden. Für die im Sommer gebuchten Auftritte, unter anderem das Summer Breeze Festival und das Party.San Open Air in Deutschland, wird Petri Lindroos, der eigentlich bei NORTHER spielt, einspringen. Danach werden wir uns wieder auf die Suche nach einem neuen Sänger und Gitarristen konzentrieren. Petri Lindroos half bereits auf Tour aus, kommt als dauerhafter Ersatz aber eher nicht in Frage. Petri ist ein super Typ, wir verstehen uns und die Tour mit ihm lief sehr gut. Bislang hat sich niemand über ihn beschwert – auch bei unseren Gigs in Finnland nicht. Leider ist er auch bei NORTHER Gitarrist und Sänger, ich weiß nicht, ob er beide Bands unter einen Hut bringen kann und will. Jaris Abschied von den Schwertträgern war übrigens nicht ganz freiwillig, wie Jukka-Pekka erzählt: Jari wollte sich auf das Album mit seiner anderen Band WINTERSUN konzentrieren. Er hat immer betont, daß ihm seine eigene Musik wichtiger als ENSIFERUM ist, er hatte nie großen Anteil am Songwriting bei ENSIFERUM. Wir mussten eine Entscheidung treffen und deshalb hat er die Band verlassen.

ENSIFERUM konnten mit ihrem 2001 erschienenen, selbstbetitelten Debut überall positive Reaktionen verbuchen. Kein Wunder, daß die Finnen im Vorfeld der Veröffentlichung von Iron mit Nervosität zu kämpfen hatten, was Jukka-Pekka auch freimütig zugibt: Wir waren sehr angespannt, besonders unser Hauptsongwriter und Gitarrist Markus Toivonen stand unter Druck. Er hat ziemlich mit sich gehadert. Ich bin aber überzeugt, daß‚ Iron besser ist als unser Debut. Die Songs sind vielseitiger und nicht ganz so simpel. Ich kann nicht verstehen, warum die Veröffentlichung so lange hinausgeschoben wird, die Entscheidung über den Termin liegt bei unserem Label Spinefarm. Vielleicht will sich das Album auch keiner mehr kaufen, wenn es endlich erhältlich ist, weil es sich schon jeder aus dem Netz gesaugt hat. Iron ist in Finnland längst veröffentlicht; wir sind zuhause sogar in die Charts eingestiegen, was mich doch überrascht hat.

ENSIFERUM:Iron ist deutlich vielseitiger als der Vorgänger und beinhaltet neben folk-inspirieren, melodischen Death und Metal-Songs auch ruhige Momente wie das Intro Ferrum Aeternum, das Zwischenspiel Mourning Heart und die Akustik-Ballade Tears. ENSIFERUM haben bewusst auf mehr Abwechslung hingearbeitet: Wir wollten für Iron einige Dinge verändern, Iron sollte keine Neuaufnahme unseres Debuts sein. Wir wollten die folkige Seite von ENSIFERUM mehr in den Vordergrund stellen. Das ist den Finnen gelungen, Ferrum Aeternum klingt aber nur wie ein Remake einer traditionellen Volksweise, der Song ist eine Eigenkomposition. Aber es haben uns schon viele Leute auf dieses Stück angesprochen und gefragt, ob es eine Cover-Version ist. Wir wollten ein gutes Album und nicht nur gute Songs machen. Auf einem guten Album gibt es aber nicht nur eingängige Hits, deshalb haben wir auch ein paar andere Dinge ausprobiert. Der letzte Track Tears ist für mich eher ein Outro als ein Song. Eben jener Song wird von einer Frau gesungen, ENSIFERUM arbeiteten für Iron aber nicht wie beim Debüt und dem Demo Hero In A Dream, dessen Songs auf dem Debüt landeten, mit Johanna Vaakuri zusammen, die unter anderem auch schon bei den finnischen Kollegen von SHAPE OF DESPAIR zu hören war. Tears wurde von Kaisa Saari eingesungen, sie ist bei einer finnischen Folkband namens TARUJEN SAARI aktiv, die neben alten überlieferten Volksweisen aus ganz Europa auch Eigenkompositionen spielen. Wir mögen diese Band sehr, haben Konzerte besucht und uns angefreundet – so war es kein Problem, zu fragen, ob sie bei Iron mitwirken will. Die Verpflichtung eines Gastmusikers an den Keyboards ist mittlerweile nicht mehr nötig, mit Meiju Enho hat die Band seit einiger Zeit eine fest angestellte Frau hinten den Tasten gefunden, deren Rolle jedoch nicht überschätzt werden soll: Trollhorn von FINNTROLL hat die Keyboards auf dem ersten Album nur als Sessionmusiker eingespielt, wir haben davor drei Demos ohne Keyboarder gemacht. Deshalb haben wir auch gar nicht so viele Keyboard-Parts in unseren Songs. Wir sind eine eher gitarrenorientierte Band, daran wird sich wohl auch nichts ändern.

ENSIFERUM:Trotz der metallischen Ausrichtung sieht Jukka-Pekka ENSIFERUM nicht nur als Metal-Band, Einflüsse aus der Folk-Szene machen für ihn die Besonderheit der Band aus: In gewisser Weise fühlen wir uns mit der Folk-Szene verbunden. Wir wollen auch weiterhin Einflüsse aus diesem Bereich verarbeiten, denn genau diese Einflüsse machen ENSIFERUM aus. Daher auch die selbstgewählte Stilbestimmung Heroic Folk Metal: Heroic Folk Metal beschreibt ENSIFERUM ganz gut. Vielleicht sollten wir in Zukunft ein paar Power Metal Elemente loswerden, ich mag Power Metal nicht übermäßig. Deshalb gibt es auch Songs wie Slayer Of The Light, der für mich fast ein Tribut an SLAYER und andere Thrash Bands ist – ein Tribut im Sound von ENSIFERUM, der eben auch viele, viele Melodien beinhaltet. Leugnen lassen sich die vermehrten klassischen Heavy Metal-Einflüsse auf Iron wie zum Beispiel im Song Sword Chant jedoch kaum, das muss auch Jukka-Pekka zugeben: Unser Gitarrist Markus Toivonen schreibt die Songs. Er hat früher viel klassischen Metal gehört, die alten Bands wie MANOWAR, IRON MAIDEN oder JUDAS PRIEST; mit aktuellen Bands hat er nicht so viel am Hut. Den immer mal wieder auftauchenden Vergleich mit BLIND GUARDIAN kann und will Jukka-Pekka jedoch nicht akzeptieren, auch wenn er als Nicht-Songwriter nur schwer argumentieren kann: Diesen Vergleich kann ich persönlich nicht nachvollziehen. Allerdings ist Markus ein großer Fan der Band. Vielleicht kann man ja doch ein paar kleine Elemente in unseren Songs finden, die ich nicht erkennen kann. Beim Songwriting waren die Rollen bislang klar verteilt, Markus ist der Diktator bei ENSIFERUM, er schreibt die Songs und stellt sie uns vor, hier und da verändern wir manchmal noch ein paar Dinge, in Zukunft will aber auch Jukka-Pekka seine Visionen verwirklichen, ein paar Sachen habe ich schon geschrieben, aber wie das nächste Album ausfallen wird, kann noch keiner von uns sagen.

ENSIFERUM:Texte sind für Jukka-Pekka weniger wichtig: Es ist schwierig für mich, etwas zu den Texte, zu sagen. Ich habe sie nicht geschrieben, sie stammen alle von Jari. Vielleicht würden mir die Texte mehr bedeuten, wenn ich sie geschrieben hätte. Wir nehmen uns nicht allzu ernst. In allem, was wir tun, wirst du immer etwas Ironie finden. Natürlich haben wir auch eine ernsthafte Seite, einige Texte haben einen mythologischen Hintergrund. Aber es gibt eben auch diese Schlachtenhymnen, die man mit einem Augenzwinkern sehen sollte. Wir haben gerne Spaß, wir trinken gerne mal etwas und wir können sogar auf der Bühne stehen und lachen. So fehlen auf Iron auch die konkreten Anspielungen auf finnische Kultur, beim Debut wurde mit zwei Songs noch Väinämöinen, einer der Hauptcharaktere des Nationalepos Kalevala, gestreift und außerdem ein Zitat von J.L. Runeberg, dem finnischen Nationaldichter, verwendet. Die finnischen Lyrics auf Iron im Song LAI LAI HEI haben jedoch keinen besonderen Bezug: Dieser Text hat nichts mit der Kalevala zu tun. Wir hatten nur einfach das Gefühl, das ein paar Zeilen Finnisch gut zu dem Song passen.

Die junge Band, Jukka-Pekka war gerade mal zarte 14 Jahre alt, als es sich 1998 bei ENSIFERUM den Bass umhängte, scheint eine Schwäche für die klassischen Metal Klischees zu haben. Die Coverartworks wären auch vor etlichen Jahren nicht aufgefallen und auch die Texte spielen auf dem neuen Album mit der zu Genüge bekannten Schlachten- und Helden-Thematik. Für die Coverartworks war Necrolord alias Kristian Wåhlin verantwortlich, kein Unbekannter in der Szene. Der Kontakt kam über Spinefarm zustande. Wir wollten ein Cover, das eine typisch finnische Landschaft zeigt. Er konnte unsere Vorstellungen gut umsetzten, also haben wir uns für seinen Entwurf entschieden. Die Liebe zu klassischen Trademarks geht sogar so weit, daß sich ENSIFERUM ein Maskottchen zugelegt haben, der alte Schwertkämpfer soll auch in Zukunft auf den Covers auftauchen: Wenn Leute ein Album als ENSIFERUM-Album erkennen, weil der bärtige Alte mit dem Schwert auf dem Cover ist, dann freuen wir uns natürlich darüber. Wir sollten ihn deshalb auch weiterhin verwenden.

Die Vorliebe für Althergebrachtes kommt nicht von ungefähr: Wir interessieren uns nicht besonders für die aktuelle Metalszene, ich interessiere mich eher für die Bands, die ich schon vor Jahren mochte. Ich glaube, es gibt nicht mehr so viele gute Metal Bands wie früher. Da liegt es natürlich nahe, keines der zur Zeit angesagten Studios aufzusuchen, sondern auch in diesem Punkt Traditionsbewusstsein zu beweisen. Wir wollten einen eher altmodischen Metal-Sound, nicht so wie auf dem ersten Album, das einen moderneren Klang hatte. Durch den etwas anderen Sound heben wir uns von all den anderen Bands ab, die melodischen Death Metal mit Folk-Einflüssen spielen. Iron wurde deshalb in Kopenhagen bei Flemming Rasmussen aufgenommen. Die Zusammenarbeit mit dem Mann, der auch bei METALLICA-Alben Ride The Lightning und Master Of Puppets an den Knöpfchen drehte, verlief zur vollen Zufriedenheit der Band, und mit noch immer kaum verflogener Begeisterung erzählt Jukka-PekKa: Die Zeit im Studio war großartig. Flemming Rasmussen ist ein unheimlich netter Typ, er hat nicht einmal die Geduld mit uns verloren. Wir haben ja auch eine Cover-Version von Battery aufgenommen, es war so verdammt cool mit demselben Mann wie METALLICA vor 20 Jahren zu arbeiten. Die Cover-Version von Battery landete zunächst auf der Finnland-Single Tale Of Revenge, doch auch hierzulande wird der Song auf der limitierten Digipack-Edition von Iron zu hören sein. Die Entscheidung, welcher Song gecovert werden sollte, war innerhalb der Band schnell gefällt: Wir sind seit Kindesbeinen an Fans von METALLICA – und es war der einzige Song, auf den wir uns in der Band einigen konnten! . Neben Rasmussen hat auch Janne Wirman, Keyborder bei CHILDREN OF BODOM und WARMEN, Anteil an der Produktion. Die Entscheidung, mit ihm zu arbeiten, hatte ganz praktische Gründe: Wir müssten die Akustik-Stücke in Finnland aufnehmen. Janne hat ein Studio in Helsinki, also lag es nahe, zu ihm zu gehen.

ENSIFERUM:

Was ein echter Skandinavier ist, gibt sich jedoch nur selten mit eine Band zufrieden, das trifft auch auf ENSIFERUM zu. Markus spielt nebenbei in einer Death Metal Band namens SOULSTREAM, ich habe mit der Black Metal-BandARTHEMESIA, in der übrigens auch Jari singt, ein zweites Standbein. Mit ARTHEMESIA werden wir im Herbst ein Album aufnehmen, wir haben aber schon sehr lange nicht mehr zusamengespielt. Wir sollten allmählich wieder damit anfangen. Inzwischen haben jetzt auch einen sehr, sehr guten Schlagzeuger gefunden: Kai Hahto von ROTTEN SOUND. Wir mussten die Aufnahmen verschieben, weil er erst die Songs lernen musste. Bei ARTHEMESIA schreibe ich die Hälfte der Songs, bei ENSIFERUM habe ich bislang keine Songs geschrieben, das soll beim nächsten Album anders werden. Ich sehe da aber ein Problem, denn ich tendiere dazu, düstere Musik zu schreiben, die nicht zu ENSIFERUM passt.

Bleibt abzuwarten, ob ENSIFERUM ihre Musik in Zukunft besser Dark Heroic Metal nennen sollten…

Bandfotos (c) ENSIFERUM, www.ensiferum.com

Live-Foto: vampiria

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