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AYREON: Timeline [3CD+DVD]

Ein ruhiges neues Lied in Dream Sequencer/PINK FLOYD-Manier sowie knapp die Hälfte des AYREONschen Schaffens (4 Stunden Ton plus 2 Stunden Video) – ich kann dabei die Begeisterung meiner Kollegen nicht teilen – überambitioniert, überfrachtet, überbewertet und über weite Strecken zu konstruiert wirkt der gebotene (solide) Progressive Rock/Metal.

Anstatt die allerbesten Momente seiner AYREON-Karriere herauszupicken und eine für Neueinsteiger interessante CD zu bieten, erschlägt Arjen Lucassen die Hörerschaft mit drei vollgepackten CDs sowie einer DVD. Ein ähnliches Muster ist in den Songstrukturen der zahlreichen Longtracks erkennbar: Lieber werden mehrere Songschnippsel zu einem Ganzen zusammengefasst, als dass ein richtiger Spannungsaufbau mit Themavariationen stattfindet. Man muss eine ganze Weile warten, bis mal eine geniale Melodie wie World Of Tomorrow Dreams vorkommt, die dann natürlich wie ein Fremdkörper zwischen den anderen Songteilen wirkt. Ein weiterer Höhepunkt, bei dem das Potenzial von AYREON deutlich wird, ist das ebenso schleppende wie majestätische Dawn Of A Million Souls, das von prächtigen Synthie-Melodien, schweren Gitarren und dem grandiosen Gesang von SYMPHONY X-Frontmann Russell Allen lebt. Insgesamt kann ich die Begeisterung meiner schreibenden Kollegen (vgl. die entsprechenden Reviews) nicht teilen.

Nachdem ich mich ausführlich mit Timeline beschäftigt habe, bin ich zu der Überzeugung gekommen, dass all die namhaften Gastmusiker nicht wegen der Musik mit von der Partie sind, sondern weil Arjen Lucassen einfach ein netter Kerl ist. Die DVD vermittelt zumindest diesen Eindruck, der von einem ausführlichen Booklet mit persönlichen Kommentaren und einer amüsanten Dankeslistenanekdote unterstrichen wird. Insgesamt wirkt die Zusammenstellung allerdings wie eine Predigt an die AYREON-Gemeinde. Der Zusammenhang mit STAR ONE und STREAM OF PASSION wird zum Beispiel als bekannt vorausgesetzt.

Man bekommt sicherlich einen sehr guten Überblick über jedes AYREON-Album, was begrüßenswert ist, da es sich ausschließlich um Konzeptalben handelt. Diese haben meistens einen Science Fiction-Hintergrund und warnen vor zu viel Technikgläubigkeit. Dumm nur, dass die Produktion der Musik wenig Platz für Vinylknistern, Rückkopplungen und klangliche Dynamik lassen. Wer mit dem Progressive Rock der 70er oder dem Progressive Metal der 80er aufgewachsen ist, wird das glatte Soundgewand nicht besonders mögen. Freunde zeitgenössischer Aufnahmen bekommen dagegen natürlich einen erstklassigen Klang präsentiert. Nach schätzungsweise 418 Stücken über das selbstzerstörerische menschliche Treiben auf Erden wirken der Rassenerhaltungskampf von Forever und die Sternenfliegerei des Migrators abgedroschen und austauschbar. Emotional berührend ist lediglich die Story von The Human Equation, die in der konzentrierter Form auf Timeline vermutlich noch packender rüberkommt als auf der ursprünglichen Doppel-CD.

Da Arjen Lucassen – im Gegensatz zu seinem Rivalen Tobias Sammet – nur sehr selten ans Mikrophon tritt, spielen die Gastsängerinnen und -sängern eine besondere Rolle. Liest man sich die Namen durch (siehe unten), steigen die Erwartungen ins Unermessliche. Dementsprechend werden sie beim Anhören der Reihe nach enttäuscht. Into The Blackhole mit Bruce Dickinson (IRON MAIDEN) am Gesang hat in etwa dieselbe Ausstrahlung wie das besungene Schwarze Loch (d.h. keine) und das ständige Stimmbanddurcheinander bei den 010011001-Songs ist eine einzige Verschwendung von Talent. Wären die einzelnen Beiträge wenigsten ineinander verwoben, hätte die Kombination noch einen gewissen Reiz. Aber Abwechslung alleine macht noch keinen schlüssigen Progressive Metal.

Wesentlich besser klingt da schon ein Lied wie Day Sixteen: Loser. Nach einem überflüssigen Didgeridoo-Intro treffen Folk-Melodien auf Brettgitarren. Beide werde immer wieder von zurückhaltenden, hämischen Gesangspassagen (vom kürzlich Verstorbenen SHADOW GALLERY-Sänger Mike Baker) unterbrochen, ehe nach einem Orgelsolo die Wut in Form von Devin Townsend hervorbricht. Auch hier ist der Songaufbau nur bedingt schlüssig, aber immerhin verströmt die Musik hier Leidenschaft und man muss nicht erst drei Liedkapitel warten, bis der Song in die Gänge kommt.

Die neue Nummer Epilogue: The Memory Remains zeigt AYREON von einer eher ruhigen Seite. Das Dilemma für finanzbewusste Fans ist natürlich vorprogrammiert. Ich sehe keinen Grund, sich Timeline zuzulegen, wenn man die bisherigen Alben bereits besitzt. Auf der DVD gibt es noch Impressionen von der 010011001-Release Party, die für Leute, die dabei waren, sicherlich sehenswert ist. Als Außenstehender hätte ich mir hier mehr Raum für die musikalischen Einlagen gewünscht. Neben diversen 5.1-Mix-Geschichten enthält der vierte Silberling noch Ausschnitte der Live-DVDs von STAR ONE und STREAM OF PASSION. Die Umsetzung des AYREON-Materials wirkt nur bedingt überzeugend, da die Hochglanzproduktion fehlt und der Gesang ungeschliffener klingt.

Der Video-Clip zu Come Back To Me (schöner, entspannter Song mit Orgelhookline und Ohrwurmpotenzial) ist dagegen äußerst sehenswert und rechtfertigt schon fast den Erwerb von Timeline. Hier wird wieder deutlich, dass Arjen Lucassen ein absolut sympathischer Kerl ist, der zwar ernsthaft Musik macht, aber dabei eigentlich immer ein Lächeln auf den Lippen hat und scheinbar schon dabei ist, sich den nächsten Schabernack auszudenken. Weiterhin besitzt Timeline (wie schon die Vorgängeralben) ein gelungenes Cover aus der Feder von Jef Bertels, das auch als Poster beiliegt. Ich kann gut nachvollziehen, dass Leute, die auf aufgeräumten und gebügelten Prog stehen, AYREON toll finden. Mir fehlt einfach die atmosphärische Dichte von Prog-Bands wie THE THIRD ENDING. Leider ist das Boxset preislich nicht zum Reinschnuppern geeignet. Einzig jene, die in der Vergangenheit unentschlossen waren, mit welchen AYREON-Album sie anfangen sollen, sollten Timeline ohne zu zögern auf ihren Einkaufs- bzw. Wunschzettel schreiben.

Veröffentlichungstermin: 07.11.2008

Spielzeit: 227:30 Min.

Line-Up:
Arjen Lucassen: Gesang, Gitarre, Keyboard, Schlagzeug

Edward Reekers (KAYAK): Gesang
Damian Wilson (THRESHOLD): Gesang
Bruce Dickinson (IRON MAIDEN): Gesang
Fish: Gesang
Anneke van Giersbergen (AGUA D`ANNIQUE): Gesang
James LaBrie (DREAM THEATER): Gesang
Sharon den Adel (WITHIN TEMPTATION): Gesang
Mikael Akerfeldt (OPETH): Gesang
Floor Jansen (AFTER FOREVER): Gesang
Sir Russell Allen (SYMPHONY X): Gesang
Hansi Kürsch (BLIND GUARDIAN): Gesang
Devin Townsend (STRAPPING YOUNG LAD): Gesang
Barry Hay (GOLDEN EARRING): Gesang
Steve Lee (GOTTARD): Gesang
Neal Morse (ex-SPOCK`S BEARD): Gesang
Lenny Wolf (KINGDOM COME): Gesang
Robert Soeterboek: Gesang
Jonas P. Renkse (KATATONIA): Gesang
Bob Catley (MAGNUM): Gesang
Heather Findlay (MOSTLY AUTUMN): Gesang
Jorn Lande: Gesang
Jasper Steverlinck (ARID): Gesang
Tom Englund (EVERGREY): Gesang
Daniel Gildenlöw (PAIN OF SALVATION): Gesang
Devon Graves (DEAD SOUL TRIBE): Gesang
Eric Clayton (SAVIOUR MACHINE): Gesang
Magnus Ekwall (ex-THE QUILL): Gesang
Mike Baker (SHADOW GALLERY): Gesang
Peter Daltrey (ex-KALEIDOSCOPE): Gesang
Jay van Feggelen (ex-BODINE): Gesang
Mouse (TUESDAY CHILD): Gesang
Irene Jansen: Gesang
Marcela Bovio (STREAM OF PASSION): Gesang
Magali Luyten (VIRUS IV): Gesang
Edwin Balough (ex-OMEGA): Gesang
Rodney Blaze (XENOBIA): Gesang
Okkie Huijsdens: Gesang

Ed Warby: Schlagzeug
Ernst van Ee: Schlagzeug
Rob Snijders (AGUA D`ANNIQUE): Schlagzeug
Davy Mickers (STREAM OF PASSION): Schlagzeug

Cleem Determeijer (ex-FINCH): Keyboard
Rene Merkelbach: Keyboard
Robbie Valentine: Keyboard
Joos van den Broek (AFTER FOREVER): Keyboard
Clive Nolan (ARENA): Keyboard
Ken Hensley (ex-URIAH HEEP): Keyboard
Derek Sherinian (PLANET X): Keyboard
Tomas Bodin (THE FLOWER KINGS): Keyboard
Oliver Wakeman: Keyboard
Roland Bakker (ex-VENGEANCE): Keyboard

Peter Vink: Bass
Jolanda Verduijn: Bass

Michael Romero (SYMPHONY X): Gitarre
Lori Linstruth: Gitarre
Label: Inside Out

Homepage: http://www.ayreon.com

MySpace: http://www.myspace.com/ayreonauts

Tracklist:
CD1
1995: The Final Experiment
1. Prologue
a) The Time Telepathy Experiment
b) Overture
c) Ayreon`s Quest
2. The Awareness
a) The Premonition
b) Dreamtime
c) The Awakening
3. Eyes Of Time
a) Eyes Of Time
b) Brainwaves
4. The Accusation (acoustic version taken from the Special Edition)
5. Sail Away To Avalon (single version)
6. Listen To The Waves
1996: Actual Fantasy (Revisited)
7. Actual Fantasy
8. Abbey Of Synn
9. Computer Eyes
10. Back On Planet Earth
1998: Into The Electric Castle
11. Isis And Osiris
a) Let The Journey Begin
b) The Hall Of Isis And Osiris
c) Strange Constellations
d) Reprise
12. Amazing Flight
a) Amazing Flight In Space
b) Stardance
c) Flying Colours

CD2
1. Garden Of Emotions
a) In The Garden Of Emotions
b) Voices In The Sky
c) The Aggression Factor
2. The Castle Hall
3. The Mirror Maze
a) Inside The Mirror Maze
b) Through The Mirror
4. The Two Gates
2000: The Universal Migrator Part I and II:
5. The Shooting Company Of Captain Frans B Cocq
6. Dawn Of A Million Souls
7. And The Druids Turned To Stone
8. Into The Blackhole
a) The Eye Of The Universe
b) Halo Of Darkness
c) The Final Door
9. The First Man On Earth
2004: The Human Equation
10. Day Two: Isolation

CD3
1. Day Three: Pain
2. Day Six: Childhood
3. Day Twelve: Trauma
4. Day Sixteen: Loser
5. Day Seventeen: Accident?
2008: 01011001
6. Age Of Shadows (edit)
7. Ride The Comet
8. The Fifth Extinction
a) Glimmer Of Hope
b) World Of Tomorrow Dreams
c) Collision Course
d) From The Ashes
e) Glimme Of Hope (reprise)
9. Waking Dreams
10. The Sixth Extinction
a) Echoes In The Wind
b) Radioactive Grave
c) 2085
d) To The Planet Of Red
e) Spirit On The Wind
f) Complete The Circle
2008: New Previously Unreleased Track
11. Epilogue: The Memory Remains
a) Epilogue
b) The Memory Remains

DVD
1. The Stranger From Within (5.1)
2. Valley Of The Queens (STAR ONE live)
3. Isis And Osiris (STAR ONE live)
4. The Two Gates (STAR ONE live)
5. Teaser: The Human Equation
6. Day Eleven: Love (5.1)
7. Come Back To Me
8. Loser (STAR ONE version)
9. Farside Of The World (5.1)
10. Back On Planet Earth (5.1)
11. Featurette Actual Fantasy
12. Computer Eyes (STREAM OF PASSION live)
13. Day One: Vigil (STREAM OF PASSION live)
14. Day Three: Pain (STREAM OF PASSION live)
15. The Castle Hall (STREAM OF PASSION live)
16. Release Party 01011001
17. Beneath The Waves (5.1)
18. Teaser 01011001
19. Featurette Epilogue: The Memory Remains

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