RAMMSTEIN: Rosenrot

Man(n) sollte nicht glauben, dass es sich bei den elf Songs um Ausschussware aus "RRRudi RRRammstein´s RRReste-RRRampe" handelt.

Um alle Bedenken gleich zu Beginn dieses Review zu zerstreuen: Rosenrot, so der Titel des fünften RAMMSTEIN-Album, sollte als vollwertige Scheibe betrachtet und gehört werden. Denn auch wenn der Vorgänger Reise Reise erst vor knapp einem Jahr veröffentlicht wurde und bis auf Benzin, Spring, Mann Gegen Mann und Te Quero Puta! alle hier zu hörenden Songs aus den Reise Reise-Sessions stammen, so sollte man nicht glauben, dass es sich bei den elf Songs um Ausschussware aus RRRudi RRRammstein´s RRReste-RRRampe handelt.

Die Songs wurden u.a. in Berlin, Stockholm und Malaga und London aufgenommen, erneut von Jacob Hellner produziert bzw. Stefan Glaumann gemischt und von Howie Weinberg in New York gemastered, so dass der Sound wie gewohnt als fett zu bezeichnen ist. Die über weite Teile vorherrschende Stimmung ist eine ruhige und melancholische – auch wenn man nicht von einer Kuschelrock-Scheiblette sprechen oder schreiben sollte.

Benzin, der Opener, die erste Single und der Song fürs erste Video ist ein typischer wie knackiger RAMMSTEIN-Song, der gleichermaßen hart und tanzbar geworden ist, zwar nicht mehr als das Qualitätsmerkmal gut und solide verdient, das Album aber viel versprechend eröffnet. Mann Gegen Mann ist eine sicherlich mit einem kräftigen Augenzwinkern vorgetragene Homo-Hymne und, wenn überhaupt, der einzige provokant-kontoverse Song des Albums. Die Band arbeitet hier mit lautleisen Stimmungsschwankungen, einer fetten Gitarrenwand und mächtigem Chorgesang (stelle mir gerade einen entsprechend gekleideten Shanty-Chor vor, der den Refrain aus tiefster Kehle mitsingt) und ich bin ziemlich sicher, dass die meisten Schwulen über textliche Ergüsse wie In Meiner Kette Fehlt Kein Glied, Wenn Die Lust Von Hinten Zieht. Mein Geschlecht Schimpft Mich Verräter, Ich Bin Der Albtraum Aller Väter herzhaft lachen können.

Bei Zerstören ist der Titel Programm, auch wenn das vom Gesang eines Muezzin (also eines Ausrufers, der die Muslime zum Gebet aufruft und dessen Funktion vergleichbar mit dem Läuten der Kirchenglocke ist) eingeleitete, härteste, flotteste und aggressivste Stück des Albums eher besinnlich ausklingt. Zum Ende des Albums gibt es dann noch ein Lied. Ja, was denn auch sonst? Nein, der Song heißt auch so! Ein Lied ist eine sehr ruhige, von akustischen Klampfenklängen untermalte Verbeugung vor den RAMMSTEIN-Fans (Wir Sind Die Diener Eurer Ohren).

Hilf Mir wurde mit Streicherklängen unterfüttert, handelt vom Thema Selbstverstümmelung und ist textlich stark vom Paulinchen-Kapitel aus dem Struwwelpeter-Kinderbuch des Frankfurter Arztes Heinrich Hoffmann inspiriert worden. Hier geht es um jemanden, der sich in einsamen Momenten getreu dem Motto Das Feuer Liebt Mich selbst Verletzungen bzw. Verbrennungen zufügt (Immer Wenn Ich Einsam Bin, Zieht Es Mich Zum Feuer Hin). Spring ist ein wuchtig-schleppender und eher bedrohlicher Stampfer, der sich vordergründig sicherlich mit dem Themen Gaffer, Schaulustigkeit und Sensationsgeilheit bzw. was man tun kann, um diese Geilheit zu befriedigen, beschäftigt – den man textlich aber vielleicht auch so deuten kann, dass man beim Greifen nach den Sternen tief fallen und eine sehr harte Landung hinlegen kann.

Bei der deutsch-englischsprachige Ballade Stirb Nicht Vor Mir – Don`t Die Before I Do, bei der es um Liebe, Sehnsucht und Einsamkeit geht, wird Till Lindemann von Sharleen Spiteri (TEXAS) gesangstechnisch unterstützt, was die ansonsten eher 08/15-mässige Ballade deutlich aufwertet. Das lautleise Feuer Und Wasser ist textlich ganz großes Kino. Klar, Textzeilen wie Wenn Sie Nackt Schwimmt Ist Das Schön, Dann Will Ich Sie Von Hinten Sehn. Nicht Dass Die Brüste Reizvoll Wären, Die Beine Öffnen Sich Wie Scheren. Dann Leuchtet Heiß Aus Dem Versteck Die Flamme Aus Dem Schenkeleck klingen schon etwas schwülstig, kitschig und gekünstelt, sind mir aber lieber als die plump-niveaulosen Plattitüden z.B. von den KASSIERERn. Inhaltlich geht es auch hier um Lust, nicht erfüllbare Sehnsucht, Begierde und Hoffnung.

War für einige Leute Los auf Reise Reise schon ein musikalisches Wagnis, so dürften diese Leute Te Quero Puta! für ein noch größeres musikalisches Experiment halten. Klingt sehr mexikanisch, aber trotz integrierter Bläserklänge und Pferdegetrampel bzw. weiblicher Gesangsunterstützung der mir unbekannten Carmen Zapata immer noch eindeutig nach RAMMSTEIN und ist ein weiteres Beispiel für den recht eigenwilligen und schrägen Humor der Band. Das von leisen Flötentöne eingeleitete Wo Bist Du wird von einem straighten Drumbeat getragen, ist schon Düsterrock-like mit tiefem und grollendem Sprechgesang und enthält einige Momente, die man auch auf einer DEPECHE MODE-Scheibe gehört haben könnte. Und mit dem auch eher ruhigen Titelstück macht die Band bzw. Texter Till deutlich, dass er von Geschichten mit einem Happy End nicht wirklich viel hält.

Tja, das waren sie, die elf Songs auf Rosenrot, aber welchen Platz Rosenrot in der Liste der besten RAMMSTEIN-Alben- einnimmt, kann ich jetzt noch nicht abschließend beurteilen. Mein Lieblingsalbum bleibt Mutter, was allerdings nichts damit zu tun hat, dass Rosenrot das mit Abstand ruhigste Album der Band-Historie geworden ist. Ein typisches RAMMSTEIN-Album, das auf seine Art gleichzeitig auch das untypischste ist.

Veröffentlichungstermin: 28.10.2005

Spielzeit: 48:06 Min.

Line-Up:
Till Lindemann – Gesang

Paul Landers – Gitarre

Christoph Schneider – Schlagzeug

Richard Z. Kruspe – Gitarre

Flake Lorenz – Keyboards

Oliver Riedel – Bass

Produziert von Jacob Hellner & Rammstein
Label: Motor Music/Universal

Homepage: http://www.rammstein.de

Tracklist:
1. Benzin

2. Mann gegen Mann

3. Rosenrot

4. Spring

5. Wo bist du

6. Stirb nicht vor mir / Don`t Die Before I Do

7. Zerstören

8. Hilf mir

9. Te Quiero Puta!

10. Feuer und Wasser

11. Ein Lied

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