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MECHANICAL POET: Astrid Lindgren für Metalheads

Schon seit Monaten verteidigt MECHANICAL POETs Debütalbum "Woodland Prattlers" seinen Stammplatz in meiner persönlichen Playlist. Grund genug dem Gitarristen des Trios, Lex Plotnikoff, mehr über die Band, die Heavy Metal-Szene in Russland und allgemeine Zukuntspläne zu entlocken.

Schon seit Monaten verteidigt MECHANICAL POETs Debütalbum Woodland Prattlers seinen Stammplatz in meiner persönlichen Playlist. Die Russen spielten darauf eine abwechslungsreiche Metal Opera ein, die als mutiges Konzeptalbum märchenhafte Geschichten erzählt. Die interessante Musik passt dabei wie der sprichwörtliche Deckel auf den Topf: Denn in Verbindung mit dem Booklet mitsamt seinen Comic-Illustrationen steht dem mit allen Sinnen aufnehmenden Interessenten eine äußerst eigenständige Musik zur Verfügung, die sich in ein gänzlich unkonventionelles Gewand hüllt. Grund genug dem Gitarristen des Trios, Lex Plotnikoff, mehr über die Band, die Heavy Metal-Szene in Russland und allgemeine Zukuntspläne zu entlocken.

Was steckt hinter dem Namen MECHANICAL POET? Stellt dieser eine Art Symbiose zwischen Metal (MECHANICAL) und den romantischen Geschichten voller Fantasie in eurer Musik (POET) dar, oder habe ich da etwas falsch verstanden?

Es ist großartig, dass du da deinen eigenen Interpretationsansatz für den Namen gefunden hast. Wir wollten aber nie etwas Bestimmtes mit unserem Namen ausdrücken. Es steht jedem frei, ihn für sich selbst zu interpretieren. Sogar wir – als Mitglieder der Band – haben drei sehr unterschiedliche Gesichtspunkte diesbezüglich. Somit hast du sicherlich nichts falsch verstanden: Alles, was du hinter MECHANICAL POET zu sehen glaubst, ist richtig. 🙂

Als Band ist MECHANICAL POET ja noch ziemlich jung. Was waren die wichtigsten Beweggründe, die Band zu gründen?

Wir wollten unsere Kräfte auf einem neuen Feld versuchen. Eine Comicbuch-Grundlage für ein großes klassisches Stück Musik … Das klang erstaunlich!

Ihr habt Woodland Prattlers ja in Eigenregie im Studio eures Drummers Tom Tokmakoff aufgenommen und produziert. Kannst du uns mehr über diesen Prozess erzählen? Und warum habt ihr euch für ein privates Studio entschieden?

Aus finanziellen Gründen. Wenn wir genügend Geld gehabt hätten, dann hätten wir ein großes Symphonie-Orchester mit Valery Gergiev als Dirigenten engagiert und hätten alles innerhalb der Abbey Road Studios produziert. Aber wir sind nach wie vor ein Rudel von drei russischen Abenteurern, die viel mehr Ambitionen als Geld haben. Somit haben wir beschlossen, alles selbst zu machen. Der Aufnahmeprozess ging sehr einfach und komplikationslos vor sich, so dass es hier nichts wirklich Interessantes zu erzählen gibt. Wir haben Keyboards, Schlagzeug, Gitarren, Bässe und Vocals aufgenommen und sie dann gemixt. Also, da gibt es keine Geheimnisse.

Aber auf Woodland Prattlers gibt es mehr als bloß Gitarren, Schlagzeug und Vocals. Wer ist für all die Samples und klassischen Arrangements verantwortlich?

Ich habe orchestrale Musik studiert und höre diese auch schon für eine lange Zeit. Daher fallen all diese symphonischen Dinge in meinen Aufgabenbereich. Tom, als der elektronische Mann in unserer Band, ist für einen Großteil des Sounds und die besondere Klangfarbe verantwortlich. Wir beide haben zudem auch den Bass eingespielt und haben die Songs mit einigen gruseligen und atmosphärischen Polstern arrangiert.

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Die Russen haben ihr Debütalbum in Eigenregie kostengünstig aufgenommen und produziert: Wir sind nach wie vor ein Rudel von drei russischen Abenteurern, die viel mehr Ambitionen als Geld haben.

In den einschlägigen Medien wurde Woodland Prattlers mit Lob überschüttet. Hat sich das auch in den Verkaufszahlen niedergeschlagen?

Ich kann eigentlich gar nichts über den Verkauf sagen, da wir von unserem Label keinen Report darüber erhalten haben. Doch als Realist bin ich mir nicht sicher, ob wir eine große Anzahl an CDs verkauft haben, weil wir einfach noch eine ziemlich junge Underground-Band sind. Aber ich hoffe, zumindest die Aufmerksamkeit der Musikfans erlangt zu haben.

Eure Musik funktioniert am besten in Verbindung mit den Lyrics und dem Artwork im Booklet. Ist das eine neue Art des Kopierschutzes gegen illegales Downloaden über Peer-to-Peer-Netzwerke, wo man eigentlich nur die MP3-Tracks ohne das Booklet herunterlädt?

Nein, auf keinen Fall. Soweit ich weiß, hat die Musikindustrie aufgrund von P2P-Netzwerken nicht so viele Einbußen zu verzeichnen. Ich denke, es gibt verschiedene Arten von Leuten, die eMule, Soulseek und sonstige Clients benutzen. Als erstes gibt es da die echten Musikliebhaber, die einfach nach guter Musik als MP3 suchen und sich dann die CD kaufen, wenn ihnen die Musik gefällt. Als zweite Gruppe sehe ich die finanzschwachen Studenten, Schüler und andere Leute, die zwar auch die Musik lieben, aber einfach nicht so viel Geld haben. Sie können es sich nicht leisten, viele CDs zu kaufen – aber sie kaufen sich zumindest die Besten davon. Ich kann das verstehen und haben auch nichts dagegen; immerhin war auch ich einmal in dieser Situation. Und als dritte Gruppe gibt es dann noch die Ordner-Sammler. Das ist der größte Teil der P2P-User: diese mögen Dateiordner und nicht die Musik, die darin steckt. Diese Leute werden niemals eine CD kaufen, weil sie schlicht und ergreifend die Musik nicht benötigen. Vielmehr brauchen sie Gigabytes. Darum sehe ich nichts Falsches daran, wenn sich Leute unsere Musik frei herunterladen können. Darüber hinaus bin ich mir sicher, dass dies heutzutage die einzige Möglichkeit darstellt, als kleine Untergrund-Kapelle – ohne die Unterstützung eines großen Labels mit viel Geld – bekannt zu werden. Also, ladet euch unsere Musik bitte herunter, hört sie euch an und kauft sie, wenn ihr sie mögt. 😉

Habt ihr eigentlich Kinder? Oder was war eure Intention, diese Art von Märchenoper zu kreieren?

Nein, wir haben keine Kinder. Wir halten uns noch zu jung und zu ausgeflippt, um Kinder zu haben. Somit sind die Märchen für uns selber und andere spät startende Jungs und Mädels.

Auf wessen Ideen basieren die Lyrics beziehungsweise woher habt ihr die Inspirationsquellen dazu bezogen?

Nun, die Lyrics stammen von mir … mit einiger Unterstützung von Astrid Lindgren, Tove Jansson, Alan Alexander Miln und vielen weniger bekannten Märchenerzählern aus Westeuropa.

Bezeichnest du die Tracks auf Woodland Prattlers eher als Lieder oder Geschichten?

Es spielt keine Rolle, wie ich sie bezeichne. Der springende Punkt ist, wie du sie bezeichnest. Wir haben lediglich die Musik komponiert, die Texte geschrieben und das alles auf CD aufgenommen. Und du darfst die Songs ganz nach deinem Wunsch bezeichnen. Einige Leute bezeichnen die Tracks als Songs, einige andere bevorzugen das Wort Storys.

Wie kam der Kontakt zu Lee Nicholson, dem Illustrator des Booklets, zustande?

Wir kennen Lee schon seit unserer frühesten Kindheit. Er hat bereits die Artworks für unsere erste EP Handmade Essence gemacht, so dass wir uns während der Studiosessions keine zusätzlichen Gedanken und Sorgen über einen Illustrator gemacht haben.

Demnach wird diese Kooperation auch von längerer Dauer sein?

Natürlich wird er auch Teil unserer nächsten Veröffentlichungen sein.

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Die Artworks im Booklet stammen von Lee Nicholson und sind für das Musikerlebnis, das Woodland Prattlers bietet, ebenso wichtig, wie die Lyrics und die Musik.

Könntest du uns über den Schreibprozess von Woodland Prattlers aufklären? Was kam als erstes: die Texte, das Soundmaterial, die Zeichnungen oder war es lediglich die Idee?

Die Idee kommt immer als erstes. Dann nehme ich einen Stift und zeichne einen simplen Rahmen für einen kommenden Song auf Papier oder im Texteditor. Da können schon einige lyrische, melodische, harmonische oder Sound-relevante Ideen einfließen. Es folgen die Songstruktur, orchestrales Setup, Bilder für das Booklet und viele weitere Sachen. Schließlich habe ich einen exakten Plan für das anstehende Werk. Was dann noch nötig ist, ist die Zeit zu finden, um die Buchstaben in Noten zu übersetzen. 🙂

Was ist eigentlich dein persönlicher Lieblingstrack auf Woodland Prattlers?

Selbstverständlich liebe ich sie alle. Aber … der Oscar geht an … Natural Quaternion (zumindest heute). 🙂

Ich könnte mir gut vorstellen, dass der MECHANICAL POET-Sound auch gut als Soundtrack für etwaige Spielfilme oder Videospiele funktionieren könnte. Gibt es eigentlich spezielle Filme oder Spiele, bei denen du gerne als eine Art von Sound Engineer involviert wärst?

Um ehrlich zu sein, ich mag den Beruf des Sound Engineers nicht. Ein Komponist zu sein, ist für mich um ein Vielfaches interessanter. Ich habe bereits bei einigen Videospielen mitgewirkt, aber das hatte mit Rock Musik nicht das Geringste zu tun. Spieleentwickler bevorzugen nun einmal alte Soundorchester ohne verzerrte Gitarren und hämmernde Drums. Bezüglich der Filme wäre es schon sehr interessant, an einem Retro-Science-Fiction Streifen basierend auf den Büchern von Jules Verne oder den Abenteuergeschichten von Thomas Mayne Reid mitzuwirken.

Ist es wahr, dass ihr über 130 Bewerbungsgespräche geführt habt, um einen Sänger für MECHANICAL POET zu finden? Wie sah der Anforderungskatalog für den neuen Frontmann aus, dass es so viele Versuche in Anspruch genommen hat?

Wir haben nach einem guten Sänger, einen guten Kumpel und einen großartigen Musiker gesucht. Der Sänger ist das Gesicht einer Band und wir wollten, dass unsere Band ein sehr, sehr schönes Gesicht hat. 😉

Schlussendlich habt ihr mit Max Samosvat ja auch einen großartigen Sänger gefunden. Und ich kann es nach wie vor kaum glauben, dass all die verschiedenen Stimmen einzig und allein von diesem einen Mann stammen. Welche Art von Gesangstraining hat er konsumiert, dass er in der Lage ist, so viele verschiedene Gesangsstile wieder zu geben?

Nun, er ist einfach ein sehr talentierter Sänger und ein ziemlich schrulliger Kerl, der immer bereit ist, etwas Neues, Seltsames und Unübliches auszuprobieren. Ich glaube aber nicht, dass sein Gesangstraining irgendetwas Heiliges oder Spezielles ist … Er hört einfach viele verschiedene Musikrichtungen und Sänger: Metal, Pop, Trip-Hop, Alternative, Klassik usw. Und er findet alles interessant – ganz gleich in welchem Genre. Wie wir alle. 🙂

Werden wir in naher Zukunft MECHANICAL POET auch live erleben dürfen?

Hmmm… das ist unser wunder Punkt. Ich würde zu gerne sagen, sicherlich. Aber da ich ein ehrlicher Kerl bin, muss ich leider nein sagen. Zumindest bis zum Jahresende. Da gibt es einfach zu viele Probleme, die uns daran hindern, für einige Monate live aufzutreten.

Seid ihr neben MECHANICAL POET auch in anderen Bands involviert?

Max singt noch in einer russischsprachigen Power Metal Band namens EPIDEMIA. Mit Tom haben wir auch ein Trance-Projekt und eine Alternative Rock-Band, bei der wir modernen Pop-Rock mit lustigen DJ-Elementen zu unserer eigenen Unterhaltung spielen.

Welche Art von Musik bzw. welche Bands hörst du gerade?

MOBY, PAPA ROACH, BLINK-182, CRAIG CHAQUICO, NICKELBACK, LOREENA MCKENNIT, ELVIS, EVANESCENE, Klassik, Musicals, Soundtracks et cetera. Eigentlich alles, was irgendwie zur gegenwärtigen Gemütslage passt. 🙂

Was macht ihr eigentlich beruflich?

Max arbeitet als Sound Engineer, Tom ist Manager einer Sportfirma und ich arbeite gerade bei einem Spieleentwickler.

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Das MECHANICAL POET-Trio hat seine Märchen-Oper vor allem für sich und nicht für die eigenen Kinder geschrieben: Wir halten uns noch zu jung und zu ausgeflippt, um Kinder zu haben. Somit sind die Märchen für uns selber…

Was bedeutet es eigentlich, eine Heavy Metal-Band in Russland zu sein? Ich kann mir vorstellen – nachdem ich einige russische Webzines besucht habe -, dass die Szene dort relativ groß ist und es eine Menge Bands gibt.

Es gibt nur eine wirklich bekannte Heavy Metal-Band in Russland, die sich ARIA nennt. Es ist eine alte, russischsprachige Band, die altmodischen Heavy Metal in Anlehnung an IRON MAIDEN spielt. Alle anderen Bands repräsentieren den riesigen russischen Metal Underground. Metal Musik ist extrem unpopulär und die ganze Szene ist demnach im tiefsten Untergrund. Es gibt jedoch Tonnen von verschiedenen, meist brutalen Bands, die in kleinen Underground-Clubs vor 50 bis 100 Fans spielen.

Ist der Schritt nach Europa oder zu einem europäischen Label demnach schwierig?

Für eine russische Band ist es sicherlich nicht leicht, in Europa oder den USA Fuß zu fassen oder Erfolg zu haben. Für einige Leute im Westen sind wir nach wie vor ein seltsames, barbarisch anmutendes Land. Und viele Labels sind sehr misstrauisch bezüglich russischer Bands, ohne auch nur deren Musik gehört zu haben.

Doch ihr habt den Sprung nach Europa mit dem Deal mit Aural Music geschafft. Wie kam es dazu und seid ihr zufrieden mit eurem Label?

Wir haben ihnen einfach unsere Demo-EP Handmade Essence geschickt, die ihnen sehr gefallen und uns somit einen Vertrag für zwei Alben eingebracht hat. Es ist schwer zu sagen, ob wir mit der Arbeit des Labels zufrieden sind oder nicht, da wir ziemlich unerfahren sind, was das Zusammenspiel mit den Labels betrifft. Aber das Label ging konzentriert zu Werke, um unser Album zu promoten und so viel Lärm wie möglich darum zu machen. Somit können wir uns nicht beklagen. 😉

Welche russischen Bands – neben euch 😉 – sind die vielversprechendsten Hoffnungen für die Zukunft?

Ich kann rein gar nichts zu irgendwelchen Metal Bands sagen, aber da sind zumindest zwei Ethno-Rock Gruppen, die ich sehr schätze: VERMICELLI ORCHESTRA und MARIMBA PLUS. Die sind sicherlich zu spezial für die puren Metal Fans, aber diejenigen Leute, die gute Musik mögen, könnten unter Umstände Interesse an diesen Bands finden.

Wann wird euer nächstes Album, eventuell unter dem Namen Troglodytes, erscheinen? Und kannst du uns mehr darüber erzählen?

Troglodytes ist eine 7-Song EP, die auf verschiedenen unterirdischen Geschichten und Märchen basiert. Wir planten den Release eigentlich für das Jahresende 2005, aber aufgrund diverser Umstände, werden wir es kaum vor 2006 aufnehmen können. Wir versuchen immer wieder, etwas Neues oder Anderes zu machen. Also, warte nicht auf ein Woodland Prattlers II oder Handmade Essence Strikes Back.

Gibt es noch etwas, das du speziell euren deutschen, österreichischen und Schweizer Fans mitteilen möchtest?

Danke fürs Lesen, und vielen Dank fürs Hören. Ich hoffe, ihr findet etwas in unserer Musik, das euch interessiert. Lasst die Macht mit euch sein und habt einen schönen Sommer!

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